Beleuchtung von Bildschirmarbeitsplätzen

lichttagungNoch nie war es so einfach und billig, Licht zu machen! Und noch nie gab es so komplizierte Regelungen aller Art für das Licht in Arbeitsstätten. Wer heute in Deutschland einen Arbeitsraum mit Bildschirmarbeitsplätzen beleuchten möchte und dazu den Auftrag des Arbeitsschutzgesetzes wörtlich nimmt, den neuesten Stand der Wissenschaft und Technik zu berücksichtigen, sieht sich einem Wust von Vorschriften und Normen ausgesetzt.

 

Um Licht in diesen Dschungel zu bringen, hatte das ERGONOMIC Institut im Jahre 2001, als der Entwurf zu DIN 5035 Teil 7 „Beleuchtung mit künstlichem Licht – Teil 7: Beleuchtung von Räumen mit Bildschirmarbeitsplätzen“ erschien, alle an der Erstellung von Regelwerken zur Beleuchtung beteiligten Institutionen eingeladen, ihre bestehenden Regelungen, ihre derzeitigen Arbeiten und die Zukunftspläne den Betroffenen darzulegen.

 

Der Tagungsband mit allen wichtigen Informationen und Beiträgen wurde in Cyberlux eingearbeitet. Eine Übersicht über die Beteiligten und ihre Rolle wurde gemeinsam mit einer knappen Darstellung des jeweils behandelten Themas kann hier abgerufen werden. Einzelne Beiträge findet man am schnellsten durch Eingabe des Namens des Autors und des Wortes Cyberlux in eine Suchmaschine. Themenübergreifend kann die Suche mit der eigenen Suchmaschine von Cyberlux vorgenommen werden.

 

Die Tagungsbeiträge scheinen auch in der Retrospektive sehr interessant, zeigen sie doch, wie lange man gebraucht hat, um eine schlechte Lösung zu finden. Der größte Teil der Bildschirmarbeitsplätze in Deutschland ist immer noch so beleuchtet, wie es nicht sein sollte. Schlimmer noch: Man baut immer noch Lichtinstallationen, die wir vor 20 und mehr Jahren als eine Gefährdung der Gesundheit festgestellt hatten. Auch heute lassen viele Mitarbeiter die Lampen aus dem Leuchten über ihrem Kopf heraus drehen und sitzen buchstäblich im Dunkeln.

 

Mittlerweile ist es still geworden um die Beleuchtung der Bildschirmarbeitsplätze. Kein Wunder, der Begriff Bildschirmarbeitsplatz befindet sich im Rückzug. Und Leuchten, die den Namen BAP wie Bildschirmarbeitplatzleuchte trugen, gibt es schon lange nicht mehr. Ihnen ist auch der Erfinder, die Firma Siemens Leuchtenwerk, gefolgt. Nicht verschwunden sind aber die Erbschaften des einstigen Unsinns. Die letzte Version der europäischen Beleuchtungsnorm EN 12464-1 von 2021 enthält eine Tabelle zu zulässigen mittleren Leuchtdichte von Leuchten, die erstmals in 1978 in der Normung aufgetaucht war. Damals durften die Leuchten unter bestimmten Winkeln nur 200 cd/m2 hell leuchten. Heute dürfen sie mehr. Aber die angegebenen Werte gelten für Randbedingungen, die es seit mehr als zwei jahrzehnten nicht mehr gibt:

In Tabelle 5 sind die Grenzen der mittleren Leuchtdichte der Leuchte bei einem Ausstrahlungswinkel von 65° und mehr, ausgehend von der vertikalen Abwärtsrichtung radial um die Leuchten, für Arbeitsplätze angegeben, an denen Bildschirme verwendet werden, die vertikal oder bis zu 15° geneigt sind.“ Diese Daten wurden vor über vier Jahrzehnten festgelegt, als Bildschirme schön spiegelten und deswegen vertikal standen. Die 15º Angabe ist eine Kreation der lichttechnischen Industrie, weil ihr damaliges Konzept bei größeren Neigungswinkeln nicht funktionieren konnte.

 

Die physiologisch günstigste Bildschirmneigung beträgt etwa 35º und wurde in der zuständigen Norm DIN EN ISO 9241-5 im Jahre 1998 festgelegt. Etwa die Hälfte der stationär benutzten Bildschirme (Laptops) werden unter diesem Winkel beobachtet. Eine viel größere Zahl (Mobiltelefone, Tablets) liegt recht flach auf dem Tisch. Das ist offenbar bei der Lichttechnik immer noch nicht angekommen.

 

Während man die Bildschirmneigung noch etwas ändern kann, wenn die Spiegelungen einen stören, kann man manche Anforderungen der Norm eindeutig als realitätsfremd bezeichnen. So soll die Beleuchtungsstärke an CAD-Arbeitsplätzen mindestens 500, bevorzugt 1000 lx betragen. Solche Werte wurden aber an solchen Arbeitsplätzen nie akzeptiert. Man schaltete die Beleuchtung eher ab. Schlimmer kam es mit der Anforderung zur Retusche (1000 lx, bevorzugt 1500 lx). Wer hochauflösende HDR-Bilder retuschieren will, kann überhaupt keine Beleuchtungsstärke gebrauchen. Die als erforderlich angesehenen Bedingungen stellen eindeutig ein Arbeitshindernis dar.

 

Kein Arbeitshindernis, sondern eine mögliche Gefährdung stellen die Mindestwerte für Kontrollräume in Kraftwerken dar. Die sollen mit 500 lx bzw. 1000 lx beleuchtet werden. Dazu wird auch vermerkt, dass man spezielle Anforderungen für Bildschirmarbeit zusätzlich berücksichtigen müsste. Uns ist kein moderner Kontrollraum bekannt, in dem wichtige Arbeitsmittel außer Bildschirmen benutzt werden.

 

Damit wären wir bei dem konzeptionellen Mangel der Beleuchtung: Es werden 8 verschiedene Anforderungen für jeden Arbeitsplatz gestellt. Unabhängig davon soll der Planer oder Anwender evtl. vorhandene Bildschirme berücksichtigen: “ … Bildschirmarbeit, siehe 4.9.“ Unter 4.9 lernt man, was zu tun ist, wenn es Bildschirmarbeitsplätze gibt. Für den guten Rat, den man unter 4.9 liest kann man sich aber nichts kaufen: „Reflexionen auf dem Bildschirm, und unter bestimmten Umständen, Reflexionen von der Tastatur können zu physiologischer und psychologischer Blendung führen. Daher müssen die Leuchten so ausgewählt, eingesetzt und angeordnet werden, dass Reflexionen großer Helligkeit vermieden werden.

Der Planer muss den Bereich der Leuchtenmontage ermitteln, die zu Störung führen kann, und die Art und Position der Leuchten so auswählen, dass sie keine störenden Reflexionen verursachen.

 

Diese Empfehlungen entsprechen recht genau denen, die man vor über 50 Jahren für Montagearbeitsplätze u.ä. gegeben hatte. Sie haben mit denen neuen eines gemeinsam: Sie sind nicht realisierbar. In einem Open Space oder einem Wartenraum kann der Planer keinen Bereich für die Leuchtenmontage wählen, der Störungen vermeidet, weil der gesamte Raum voller Bildschirme ist.

 

Wie kann es mit den Normen für die hier beispielhaft angeführten Arbeitsplätze weiter gehen? Ist damit zu rechnen, dass die Lichttechnik begreift, dass es praktisch keine Bereiche ohne Bildschirme mehr gibt? Selbst die Gesetzgebung hatte es vor über 10 Jahren verstanden und die Bildschirmarbeitsverordnung in die Arbeitsstättenverordnung eingearbeitet. Techniker sollten die längst vollzogene Entwicklung doch irgendwann mal wahrnehmen? Weit gefehlt. Denn die in Entwicklung befindliche jüngste Norm, die EN 12464-1 ablösen soll, enthält nicht nur praktisch alle genannten Punkte (und damit Mängel). Es sollen auch die gesundheitlichen Wirkungen bestimmter Art berücksichtigt werden, für die die Vertikalbeleuchtungsstärke maßgeblich ist. Diese müsste um mindestens den Faktor 2, vielleicht 5 erhöht werden, um wirksam zu sein. Es ist zu erwarten, dass die Störungen auf den Bildschirmen in einem ähnlichen Umfang zunehmen. (Mehr dazu unter CIE/ISO 8995 Light and lighting — Lighting of work places — Part 1: Indoor)

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