Energieeffizienz und Beleuchtung
Die EU-Kommission hat zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls Gesetze auf europäischer Ebene geschaffen. Dadurch soll die Effizienz der Gebäude bezüglich des Energieverbrauchs gesteigert werden. Anders als früher wird jetzt auch die Beleuchtung mit einbezogen. Hierbei wird die künstliche Beleuchtung als Verbraucher und die natürliche Beleuchtung als positiver Einflussfaktor im Hinblick auf die Effizienz angeführt. Nach deutschem Recht war Tageslicht aber keine Beleuchtung! Das wurde es, indem man die EU-Arbeitsstättenrichtlinie 89/654/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz in Arbeitsstätten nach 15 (!) Jahren endlich in Deutsches Recht übernommen hat. Nach weiteren 12 Jahren versucht die Bundesregierung, die dabei „vergessene“ Sichtverbindung nach außen wieder in die deutsche Arbeitsstättenverordnung aufzunehmen (und kämpft gegen den Widerstand aus dem Arbeitgeberlager).
Die Europäische Richtlinie „Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ (Richtlinie 2002/91/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden) hätte bis zum 1.1.2006 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Etwas länger hat es dennoch gedauert. Seit 2007 liegt nun die Verordnung EnEV (Energieeinsparverordnung) als Verordnung zum Energieeinspargesetz (EnEG – Gesetz zur Einsparung von Energie in Gebäuden) vor, mittlerweile als EnEV 2014.
Die deutschen Namen der Regelwerke sind leider geeignet, ein Missverständnis zu erzeugen, weil sie den Teil „einspar…“ enthalten. Deren Ziel ist aber nicht Einsparung sondern Effizienz. Sparen kann man, indem man von einer Ressource weniger Gebrauch macht oder sie billiger einkauft. Und das ohne Rücksicht auf sonstige Aspekte ungeachtet derer Bedeutung. Effizienz hingegen bedeutet, dass man für das Erreichen eines Ziels möglichst wenig von der betreffenden Ressource aufwendet. Am Ziel selbst ändert das nichts. Bei den früheren Energiekrisen, die eigentlich Ölkrisen gewesen sind, wurde beispielsweise empfohlen, die Temperatur in beheizten Räumen herabzusetzen. Auf die Beleuchtung umgesetzt würde das bedeuten, dass man die Zahl der Lampen einfach reduziert. Dies hat aber mit Effizienz nichts zu tun. Effizienz würde bedeuten, dass man ein vorgegebenes Beleuchtungsziel mit möglichst geringem Aufwand erreicht. Und dieser Aufwand besteht in Primärenergie und nicht Energie an sich.
Zur Konkretisierung der Anforderungen werden in den europäischen Ländern Regelwerke erarbeitet. In Deutschland ist dies die Vornormenreihe DIN V 18599 „Energetische Bewertung von Gebäuden“, die auch im Jahr 2007 verabschiedet worden ist. Die Besonderheit dieser Normenreihe besteht darin, dass die Verordnung (EnEV) auf sie starr verweist. Somit haben die Bestimmungen der Normenreihe rechtlich bindenden Charakter. Ungeachtet dessen wurde unter der Federführung eines DIN-Normenausschusses eine europäische Norm (Energetische Bewertung von Gebäuden – Energetische Anforderungen an die Beleuchtung; Deutsche Fassung EN 15193:2007) erarbeitet. Üblicherweise hat ein Land das Recht, europäische Normen abzulehnen, falls diese sich mit Sachverhalten befassen, die in dem betreffenden Land gesetzlich geregelt sind. Das Gegenteil, dass ein Land die Feder führt, damit es eine europäische Norm gibt, obwohl das deutsche Gesetz auf eine deutsche (Vor)Norm verweist, ist ziemlich einmalig. Es dürfte nicht uninteressant sein, sich mit der Umkehrung der üblichen Vorgehensweisen zu befassen.
Die Anforderung nach Nutzung des Tageslichts zum Zweck der Energieeffizienz steht auch im Einklang mit dem Arbeitsschutz (s. novellierte Arbeitsstättenverordnung vom August 2004). Welche Bedeutung das Tageslicht als Teil der Beleuchtung für die Gesundheit des arbeitenden Menschen hat, wurde vom ERGONOMIC Institut im Rahmen einer umfangreichen Studie belegt (Studie Licht und Gesundheit, … mehr). Daher kann man mit Sicherheit behaupten, dass die Bemühungen um Energieeffizienz eine positive Wirkung auf den Arbeitsschutz zeitigen werden.
Auch die im Jahr 2002 verabschiedete europäische Norm zur Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen (EN 12464-1) verfolgte einen energieeffizienten Ansatz. Zum einen bezog sie Tageslicht als Beleuchtung ein, zum anderen war das Ziel nicht mehr die Allgemeinbeleuchtung, sondern die Betonung des Bereichs der Sehaufgabe und des unmittelbaren Umgebungsbereichs. Hierdurch könnte viele Energie eingespart werden, weil das Licht nicht mehr gleichmäßig über den Raum verteilt werden muss. Die Planungen, die wir in den letzten Jahren überprüft haben, sprechen aber eine andere Sprache. Neu geplante Beleuchtungsanlagen weisen i.d.R. höhere Beleuchtungsstärken auf, die bis 1.800 lx reichen, und 1.000 lx anstelle der angestrebten 500 lx sind keine Seltenheit, eher die Regel.
Diese Norm ist inzwischen Deutsche Norm geworden: DIN EN 12464-1:2003-03 und liegt mittlerweile in ihrer zweiten Fassung vor (2011). Ein Teil der entsprechenden nationalen Normen wurden zurückgezogen. Die deutsche Norm zur Beleuchtung von Bildschirmarbeitsplätzen (DIN 5035-7) hingegen wurde neu gefasst und empfiehlt Konzepte, die zu einem erheblich höheren Energieaufwand als bisher führen. Dieses gibt Anlass zur Diskussion. Zwar wurde von den Befürwortern dieser Norm vehement bestritten, dass der Energieaufwand infolge dieser Norm steigen müsste, diese selbst haben den Beweis hierfür geliefert. So heißt es in der Ankündigung einer Fachtagung aus dem Jahre 2005 zum Thema „Ergonomische und energetische Aspekte bei der Beleuchtung von Büros“: „Beleuchtungsanlagen, die Qualitätsmerkmale hinsichtlich Ergonomie, Organisation, Akzeptanz der Nutzer und Ästhetik berücksichtigen, können ggf. höhere Anschlussleistungen benötigen als Beleuchtungsanlagen, die nur auf den Energieverbrauch hin optimiert sind.“ Um wie viel mehr Energie es gehen würde, war bereits auf einer Tagung im Jahr 2004 in einem Beitrag unter dem gleichen Titel dargelegt worden: 46,5 % mehr pro Arbeitsplatz (nach einer Modellberechnung, Originalbeitrag erhältlich unter dem gleichen Titel im Baunetz >> Die o.g. Zahlen, die aus realen Messungen in der Praxis stammen, zeigen, dass von Effizienz nicht die Rede sein kann, außer dass man höhere Beleuchtungsstärken mit entsprechend höherer Leuchtdichte der Leuchtmittel für Qualität hält. Da sind die Nutzer anderer Meinung.
Naturgemäß können Modellrechnungen immer zu unterschiedlichen Ergebnissen führen je nach Ansatz. Allerdings ist allein die Tatsache bemerkenswert, dass einerseits große Anstrengungen unternommen werden, um den Energieverbrauch einzudämmen, weil Menschen Angst haben, ihren Planeten zu zerstören, und andererseits Konzepte empfohlen werden, die für die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer eine Steigerung des Stromverbrauchs um 46,5 % zur Folge haben.
In dem angeführten Artikel wird nicht erklärt, wie die mehr Energie verbrauchende Beleuchtung Ergonomie, Organisation, Akzeptanz der Nutzer und Ästhetik berücksichtigt. Mehr Details kann man DIN EN 15193 entnehmen. Dort werden drei „Güteklassen“ für Beleuchtung eingeführt (Tabelle 1). Die Tabelle zeigt, was diese in der Praxis bedeuten: Güteklasse ** unterscheidet sich von der untersten durch „zufriedenstellende Vermeidung von Schleierreflexion und Reflexblendung“, „verbesserte Farbwiedergabe“, „vermeidung von Schlagschatten …“ und „anwendungsgerechte Beleuchtungsverteilung im Raum, Vertikalbeleuchtungsstärke“. Hierfür soll nach DIN EN 15913 ein Mehrverbrauch von rund 30% entstehen (s. Tabelle 2). Wer die höchste Gütestufe installieren möchte, und als Gegenleistung (s. Tabelle 1) zusätzlich „Besondere Beachtung der gegenseitigen Blickkommunikation durch beleuchteten Gesichter (Ezylindrisch)“ sowie „Besondere Beachtung von gesundheitlichen Belangen“ erhofft, soll etwa 60 % mehr Energie verbrauchen. Pro Arbeitsplatz im Büro!
Tabelle 1 Darstellung der Güteklassen für die Beleuchtung
Tabelle 2 (Auszug) Installierte Leistung und jährlicher Stromverbrauch nach Güteklasse
Wer sich seine Energieabrechnung mit den Augen eines Kaufmanns und mit dem Gewissen eines naturbewussten Menschen bewerten möchte, sollte sich diese Berechnungen genauer unter die Lupen nehmen. Ob mehr Lichtqualität mehr Energieverbrauch bedeuten muss, kann er sich aus unserer Studie „Licht und Gesundheit“ heraus lesen. Man kann bei besserer Beleuchtung für die Menschen sogar Energie sparen. Die Pauschalierung bessere Lichtqualität = mehr Energie ist nicht haltbar.
Die Diskussion wird sicherlich eine neue Qualität erreichen, wenn die deutsche Öffentlichkeit DIN EN 15193 zur Kenntnis nimmt. Als Entwurf hat sie diese Berechnungen nie gesehen. Auch ein Novum in der Normung. Obwohl die Norm 1914 in der zweiten Fassung (EN 15193) als Entwurf erschienen ist, haben wir nichts von einer Diskussion bemerkt.
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