Ergonomische Überprüfung von Kernkraftwerken

Kernkraftwerk FukushimaDie vom Präsidenten Jimmy Carter angeordnete Überprüfung US-amerikanischer Kernkraftwerke nach der Katastrophe von Three Mile Island hatte noch katastrophalere Mängel in der Ergonomie an den Tag gefördert, die den Unfall verursacht hatten. Die Kraftwerke in den USA wurden eiligst „ertüchtigt“. In anderen Ländern haben die Regierungen gewisse Auflagen an die Betreiber gemacht, aber mit zunehmender Entfernung vom Ort des Geschehens nahm die Bereitschaft ab, sich von der Vorstellung zu befreien, „so etwas kann bei uns nicht passieren“. Und das, obwohl in Three Mile Island fünf Vorfälle mit einer Wahrscheinlichkeit von jeweils 1/10.000 Jahren gleichzeitig aufgetreten waren. D.h., dass dieser Unfall theoretisch eine Wahrscheinlichkeit von einer Billion Jahren hatte. Da das Universum nur wenige Milliarden Jahre alt ist, hätte der Unfall eigentlich nicht passieren dürfen.

 

Nach der noch größeren Katastrophe von Tschernobyl haben wir eine Überprüfung der Kernkraftwerke in Deutschland angeregt. Das Land Nordrhein-Westfalen hat nicht nur die Ergonomie, sondern alle Eigenschaften der dortigen kerntechnischen Anlagen durchführen lassen. Die Ergebnisse sind leider nicht öffentlich verfügbar.

 

Unser Projektteil war so erfolgreich, dass wir später an der Arbeit der Reaktor-Sicherheitskommission beteiligt wurden. Ein Ergebnis dieser Arbeit ist eine ergonomische Prüfliste für Warten von Kernkraftwerken. Ein anderes ist die Einrichtung von anlagenspezifischen Simulatoren, die wir als erste Institution vorgeschlagen haben. Obwohl in den USA üblich, hielt man sie in Deutschland früher nicht für notwendig, weil man glaubte, dass die Mannschaften so qualifiziert wären, dass sie das Erlernte von einem unspezifischen Simulator auf ihre eigene Anlage übertragen würden. Und das im Falle einer echten Katastrophe! Und bei abgeschalteten Computern, denn sie gelten als unsicher.

 

Eine weitere Idee, für die die Fachleute der Kerntechnik einst nichts weiter als ein Lachen übrig hatten, periodische Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ), wurden auch von uns Mitte der 1980er Jahre thematisiert. Diese Vorstellung passte überhaupt nicht mit der Denke zusammen, dass etwas, was einmal als sicher geprüft und genehmigt worden ist, unsicher werden kann. Zwar stellen Inspektion und Wartung eine der Säulen der Ingenieurstechnik und wurden selbstverständlich stetig durchgeführt und einmal jährlich als Revision ausgeführt und geprüft. Die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) empfahl in einer Empfehlung vom 23. November 1988, dass AKW alle zehn Jahre einer umfassenden Prüfung unterzogen werden sollten. Diese Prüfung sollte den aktuellen Sicherheitsstatus der Anlage überprüfen und sicherstellen, dass sie weiterhin den Anforderungen entspricht.

 

Die Rolle dieser Prüfungen wird vom BUMV im Jahr 2023 so dargestellt: „Die Periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ) dienen dazu, ergänzend zu den laufenden Kontrollen insgesamt ein AKW quasi auf Herz und Nieren zu prüfen. Es sind ganzheitliche Prüfungen, deren Blickwinkel über die Prüfungen im regulären AKW-Betrieb hinausgehen. Die regelmäßigen Kontrollen nach dem Prüfhandbuch (Wiederkehrende Prüfungen = WKP) überprüfen lediglich, ob die geltenden technischen Anforderungen erfüllt werden. Die PSÜ überprüfen darüber hinaus, ob sich aus dem Erkenntnisfortschritt weitere Sicherheitsanforderungen ergeben und wie diese durch Nachrüstungen zu erfüllen sind.“

 

Mittlerweile sind zwar die deutschen AKW vom Netz gegangen, aber auch in der Diskussion um deren Wiederinbetriebnahme spielt PSÜ eine große Rolle.

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