Energieeffizienz und Beleuchtung
Die EU-Kommission hat zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls von 1997 Gesetze auf europäischer Ebene geschaffen. Dadurch soll die Effizienz der Gebäude bezüglich des Energieverbrauchs gesteigert werden. Anders als früher wurde dabei auch die Beleuchtung mit einbezogen. Hierbei wird die künstliche Beleuchtung als Verbraucher und die natürliche Beleuchtung als positiver Einflussfaktor im Hinblick auf die Effizienz angeführt. Nach deutschem Recht war Tageslicht aber bis zum Jahr 2004 keine Beleuchtung! Das wurde es, indem man die EU-Arbeitsstättenrichtlinie 89/654/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz in Arbeitsstätten nach 15 (!) Jahren endlich in Deutsches Recht übernommen hatte. Nach weiteren 12 Jahren versuchte die Bundesregierung, die dabei „vergessene“ Sichtverbindung nach außen wieder in die deutsche Arbeitsstättenverordnung aufzunehmen (und kämpfte gegen den Widerstand aus dem Arbeitgeberlager).
Hierbei passierte schier Unglaubliches. Der Entwurf der Arbeitsstättenverordnung, der praktisch veröffentlichungsreif war, wurde vom Bundeskanzleramt kassiert und war zwei Jahre verschwunden. Angeblich hatte der Präsident der BdA daran Anstoß genommen, dass auch Toilettenräume eine Sichtverbindung nach außen bekommen sollten. Der Fehler stammte aber aus der ArbStättV von 1975 und hatte bis 2014 niemanden gestört, weil er eher ein Lapsus war. Nach erfolgreicher Intervention des Bundesrates wurde die ArbStättV nach vollen zwei Jahren freigegeben.
Nun sollte die Sichtverbindung in die ASR Beleuchtung eingearbeitet werden. Wir haben uns gerne an dieser Arbeit beteiligt. Der Ausschuss tagte mehr als zwei Jahre und erarbeitete ein Papier, dem auch die Arbeitgebervertreter zustimmten. Dann hakte es wieder. Die Arbeitgeber haben ihre Vertreter bloßgestellt. Nach langem Hin und Her wurde die ASR 3.4 am 5. Mai 2023 (!) im GMBl bekannt gemacht. Die von allen Arbeitnehmern geschätzte Sichtverbindung hat also ganze 19 Jahre zur Wiederauferstehung gebraucht.
Die Europäische Richtlinie „Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ (Richtlinie 2002/91/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden) hätte bis zum 1.1.2006 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Etwas länger hat es dennoch gedauert. Erst 2007 lag die Verordnung EnEV (Energieeinsparverordnung) als Verordnung zum Energieeinspargesetz (EnEG – Gesetz zur Einsparung von Energie in Gebäuden) vor, zuletzt als EnEV 2014. Die EnEV war ein Teil des deutschen Wirtschaftsverwaltungsrechtes. Sie wurde zum 1. November 2020 durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abgelöst. Dessen letzte Fassung löste im Frühsommer 2023 eine politische Krise aus, die Ende 2023 immer noch nicht ausgestanden war. Das Gesetz kam arg gestutzt durch die politischen Instanzen durch.
Die deutschen Namen der Regelwerke sind leider geeignet, ein Missverständnis zu erzeugen, weil sie den Teil „einspar…“ enthalten. Deren Ziel ist aber nicht Einsparung sondern Effizienz. Sparen kann man, indem man von einer Ressource weniger Gebrauch macht oder sie billiger einkauft. Und das ohne Rücksicht auf sonstige Aspekte ungeachtet derer Bedeutung. Dafür braucht man weder ein Konzept, noch eine Norm. Effizienz hingegen bedeutet, dass man für das Erreichen eines Ziels möglichst wenig von der betreffenden Ressource aufwendet. Am Ziel selbst ändert das aber nichts. Bei den früheren Energiekrisen, die eigentlich Ölkrisen gewesen sind, wurde beispielsweise empfohlen, die Temperatur in beheizten Räumen herabzusetzen, um zu sparen. Auf die Beleuchtung umgesetzt würde das bedeuten, dass man die Zahl der Lampen einfach reduziert. Dies hat aber mit Effizienz nichts zu tun. Effizienz würde bedeuten, dass man ein vorgegebenes Beleuchtungsziel mit möglichst geringem Aufwand erreicht. Und dieser Aufwand besteht in Primärenergie und nicht Energie an sich. So wurde der Strom für die Beleuchtung einst mit dem Faktor 3 bewertet, weil beim Verbraucher nur ein Drittel der eingesetzten Energie ankam. Der sog. Primärenergiefaktor wird im GEG festgelegt und beträgt derzeit 2,4 für den deutschen Strommix.
Zur Konkretisierung der Anforderungen werden in den europäischen Ländern Regelwerke erarbeitet. In Deutschland war dies die Vornormenreihe DIN V 18599 „Energetische Bewertung von Gebäuden“, die im Jahr 2007 verabschiedet worden ist. Die Besonderheit dieser Normenreihe bestand darin, dass die Verordnung (EnEV) auf sie starr verwies. Das seit dem 1. November 2020 geltende Gebäudeenergiegesetz (GEG) verweist in verschiedenen Artikeln auf die DIN V 18599. Somit haben die Bestimmungen der Normenreihe rechtlich bindenden Charakter.
Ungeachtet dessen wurde unter der Federführung eines DIN-Normenausschusses eine europäische Norm (Energetische Bewertung von Gebäuden – Energetische Anforderungen an die Beleuchtung; Deutsche Fassung EN 15193:2007, letzte Fassung 2021-11) erarbeitet. Üblicherweise hat ein Land das Recht, europäische Normen abzulehnen, falls diese sich mit Sachverhalten befassen, die in dem betreffenden Land gesetzlich geregelt sind. Das Gegenteil, dass ein Land die Feder führt, damit es eine europäische Norm gibt, obwohl das deutsche Gesetz auf eine deutsche (Vor)Norm verweist, ist ziemlich einmalig. Es dürfte nicht uninteressant sein, sich mit der Umkehrung der üblichen Vorgehensweisen zu befassen.
Die Anforderung nach Nutzung des Tageslichts zum Zweck der Energieeffizienz steht auch im Einklang mit dem Arbeitsschutz (s. novellierte Arbeitsstättenverordnung vom August 2004, zuletzt geändert durch Art. 4 G v. 22.12.2020). Welche Bedeutung das Tageslicht als Teil der Beleuchtung für die Gesundheit des arbeitenden Menschen hat, wurde vom ERGONOMIC Institut im Rahmen einer umfangreichen Studie belegt (Studie Licht und Gesundheit). Daher konnte man mit Sicherheit behaupten, dass die Bemühungen um Energieeffizienz eine positive Wirkung auf den Arbeitsschutz zeitigen werden.
Auch die im Jahr 2002 verabschiedete europäische Norm zur Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen (EN 12464-1) verfolgte einen energieeffizienten Ansatz. Zum einen bezog sie Tageslicht als Beleuchtung ein, zum anderen war das Ziel nicht mehr die Allgemeinbeleuchtung, sondern die Betonung des Bereichs der Sehaufgabe und des unmittelbaren Umgebungsbereichs. Hierdurch könnte viele Energie eingespart werden, weil das Licht nicht mehr gleichmäßig über den Raum verteilt werden muss. Die Planungen, die wir in den letzten Jahren überprüft haben, sprechen aber eine andere Sprache. Neu geplante Beleuchtungsanlagen weisen i.d.R. höhere Beleuchtungsstärken auf, die bis 1.800 lx reichen, und 1.000 lx anstelle der angestrebten 500 lx sind keine Seltenheit, eher die Regel.
Die Norm EN 12464-1 wurde zuletzt in 2021 überarbeitet. Hierbei wurden neue Bestimmungen eingeführt, die der Energieeffizienz eher widersprechen. So wurde ein erhöhter Wartungswert eingeführt, den man realisieren muss, wenn Kontextmodifikatoren vorliegen. Diese können u.a. erforderliche Genauigkeit der Arbeit, zu geringe Sehfähigkeit des Arbeitnehmers oder ungewöhnlich lange Ausführung der Arbeit.
Die nächste Änderung der Beleuchtungsnormen steht ins Haus. Diese berücksichtigen nicht nur das Sehen, wofür man seit der Eiszeit künstliche Beleuchtung macht, sondern auch die gesundheitlichen Wirkungen. Man verlässt die Beleuchtungsstärke, die eine Art physikalische Größe war, und geht dazu über, die circadiane Wirkung und das Spektrum einzurechnen. Demnach entsteht die größte Wirkung durch das Tageslichtspektrum (6500 K). Ist das Licht wärmer, fällt die Wirkung geringer aus. Ergo wird eine übliche Beleuchtung mit 4000 K nur mit dem Faktor 0,5 wirksam. Da kaum jemand im Innenraum eine Beleuchtung mit 6500 K benutzt, muss man also immer doppelt so viel installieren wie vorher. Hinzukommt, dass auch das Alter einbezogen werden muss.
Als wenn das nicht kompliziert genug ist, auch die Basis der Beleuchtungsplanung, die Beleuchtungsstärke (horizontal) muss verlassen werden, weil nur die vertikale Größe wirksam ist. Allerdings werden alle Planungen seit Jahrzehnten nach der alten Basis durchgeführt. Jetzt gilt, dass das direkt ins Auge fallende Licht wirksam sei. Alles beisammen gerechnet, kann es sein, dass man die Beleuchtung um den Faktor 2 bis 5 „verstärken“ muss. Da aber niemand immer so viel Licht braucht, soll man die Beleuchtung immer regelbar machen. Das die Regeleinrichtungen auch dann Strom verbrauchen, wenn sie gar nicht benötigt werden? Dies scheint niemanden zu kümmern.
Das Projekt heißt CIE/ISO 8995. Daraus soll eine globale Norm werden.
Wer sich seine Energieabrechnung mit den Augen eines Kaufmanns und mit dem Gewissen eines naturbewussten Menschen bewerten möchte, sollte sich diese Entwicklungen genauer unter die Lupen nehmen. Ob mehr Lichtqualität immer mehr Energieverbrauch bedeuten muss, kann er sich aus unserer Studie „Licht und Gesundheit“ herauslesen. Man kann bei besserer Beleuchtung für die Menschen sogar Energie sparen. Die Pauschalierung bessere Lichtqualität = mehr Energie ist nicht haltbar. Die Denke wird aber gepflegt, weil an der lichttechnischen Normung fast nur noch Leuchtenhersteller das Sagen haben.
Die Diskussion über dieses Thema geht an den meisten Anwendern vorbei, weil die Normen einen Komplexitätsgrad erreicht haben, dass auch Fachleute sie nicht mehr verstehen. Vielleicht ist dies eine Chance für die ASR 3.4 Beleuchtung. Nach der kann man sich auch richten.